Bei einem erheblichen Teil der südkoreanischen Bevölkerung sowie Nordkorea, stößt die Annäherungspolitik Südkoreas zu Japan auf Vorbehalte, zumal aus Sicht mancher die Beziehungen zum Norden damit zusätzlich beeinträchtigt würden. Herr Dr. Seliger sieht Parallelen in der Situation Deutschlands zu Beginn des Kalten Kriegs mit der Südkoreas heute. Die Politik Deutschlands in der Nachkriegszeit, die Einbindung in westliche Sicherheitsstrukturen (Westintegration) anzustreben, sei damals nicht förderlich für eine angestrebte Wiedervereinigung gewesen. Gleichzeitig war die Befürchtung, dass Deutschland ohne multilaterale Ausrichtung seiner Aussenpolitik, wieder in Nationalismus verfalle und eine ähnliche Eskalation wie in Ostasien drohe (Koreakrieg). Eine Wiedervereinigung wurde unter der Bundesregierung Konrad Adenauers (CDU) als weniger prioritär eingestuft, viel wichtiger war eine freiheitlich-demokratische Grundordnung für Westdeutschland sicherzustellen. Es dauerte gut zehn Jahre, ehe die Opposition diese Politik teilte.
Das Angebot Stalins, einer Wiedervereinigung zuzustimmen, wenn es anschließend neutral bleibe (“Stalin-Noten”), wurde von den Westmächten abgelehnt. Zu tief waren die Ressentiments der westlichen Seite. Herr Dr. Seliger argumentiert, dass die Westbindung Deutschlands Basis für den wirtschaftlichen Aufstieg der exportorientierten Bundesrepublik gewesen sei. Trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen zwischen dem geteilten Deutschland der Nachkriegszeit und den beiden Koreas heute, ist die substanzielle Frage unverändert: Geht es um „Einheit um jeden Preis“ – exklusive Freiheit? Oder geht es um „Einheit in Freiheit“ – inklusive Freiheit? Die Integration Südkoreas in die freiheitlich-demokratische Gemeinschaft ist langfristig gesehen von Nutzen für eine Wiedervereinigung in Freiheit, so die Quintessenz von Dr. Seliger.