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Südkorea und Japan
Lichtblicke in einem düsteren Szenario für Nordostasien

Autor: Dr. habil Bernhard Seliger

Das Verhältnis zwischen Südkorea und Japan ist angespannt. Die Ursachen dafür liegen in der Geschichte beider Länder. Wie können die schmerzhaften Erfahrungen der Vergangenheit überwunden und Aussöhnung gefördert werden?

Soeben feierten die Koreaner ihren Nationalfeiertag Samilchol, an dem des friedlichen Protests am 1. März 1919 gegen die Kolonialisierung des Landes durch Japan gedacht wird. Damals marschierten am Rande der Friedensverhandlungen nach dem ersten Weltkrieg Hunderttausende in Seoul und anderen Städten des Landes gegen die seit 1910 anhaltende Kolonialisierung durch Japan. Die zivilen Proteste wurden brutal unterdrückt, viele Koreaner ins Gefängnis geworfen und gefoltert.

Wenn man sich heute die geopolitische Lage Nordostasiens ansieht, müsste man eigentlich annehmen, dass Japan und Südkorea beste Partner sind: Beide müssen mit denselben Bedrohungen durch Nordkorea und der aufsteigenden Großmacht China leben, beide sind Wertepartner, mit Demokratien und entwickelten und äußerst erfolgreichen Marktwirtschaften, die sehr stark vom Weltmarkt abhängig und damit an einer funktionierenden Weltwirtschaft interessiert sind und nicht zuletzt sind beide enge Verbündete der USA, die gleichzeitig wichtiger Handelspartner und Schutzschild gegen die obengenannten Bedrohungen ist. Doch leider sind die Dinge komplizierter.

Der Yasukuni Schrein in Tokio wurde 1869 vom Kaiser Meiji begründet und gedenkt der Kriegstoten Japans. Dabei werden auch Japaner geehrt, die als Kriegsverbrecher im zweiten Weltkrieg verurteilt wurden. Für viele Japaner ist der Weg hierher ein schöner Spaziergang, für die Koreaner ist es ein ständiger Dorn im Auge.

Bernhard Seliger

Überwindung der Vergangenheit

Eines der Ziele der konservativen Regierung von Yoon Seok-yeol, der 2022 Präsident von Südkorea wurde, ist die Verbesserung des Verhältnisses zu Japan. Dazu war sein sehr erfahrener und eloquenter Außenminister Park Jin schon in Japan und hat auch am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz 2023 nochmals den japanischen Außenminister getroffen. Man hofft, nach einer erneuten Bekräftigung der Entschuldigungen für die Kolonialzeit z. B. zum G 7 Gipfel in Japan nach Hiroshima eingeladen zu werden oder einen Staatsbesuch durch Präsident Yoon Seok-Yeol zu erreichen.
Auch die USA haben großes Interesse, um die Position gegen China und Nordkorea zu stärken. Dazu gehört z. B. eine Kooperation der Geheimdienste und Militärs beider Länder. Die nordkoreanischen Raketen fliegen meist über japanische Gewässer. Japan sammelt Daten und manchmal auch Überreste, um sie zu analysieren.

Doch noch ist es nicht so weit: Immerhin hat jetzt die gegen Japan gerichtete Zusammenarbeit Chinas mit Nordkorea aufgehört, die in der Vergangenheit immer wieder als Teil der Annäherungspolitik zum Norden gemeinsame Positionen gegen Japan formuliert hatte.
So bleibt die Hoffnung, dass in einer Zeit geopolitischer steigender Spannungen in Nordostasien sich wenigstens das Verhältnis Südkorea-Japan verbessert. Das wäre auch ein bleibendes Vermächtnis der Regierung von Yoon Seok-Yeol. Dabei könnte nicht zuletzt der Generationenwandel eine entscheidende Rolle spielen. In Japan sind alle Arten der südkoreanischen Kultur in den letzten zwei Dekaden bei den Jugendlichen – wie auch weltweit - äußerst populär geworden: K-Pop, K-Drama, K-Food feiern ihre größten Erfolge in Japan, so wie früher in Südkorea, als die Einfuhr japanischer Kulturprodukte noch strikt überwacht wurde, als die japanische Populärkultur, wie Zeichentrickfilme (Mangas) unter der Hand gehandelt und sehr populär war. Diese kulturellen Einflüsse spielen heute eine viel größere Rolle als die nun schon viele Generationen zurückliegende negative Erfahrung der Kolonialisierung. Ein größerer Austausch der Jugend, etwa in Form eines koreanisch-japanischen Jugendwerks, könnte die wichtigen Begegnungen beider Länder verstärken und so die schmerzhaften Erfahrungen der Vergangenheit überwinden helfen.

Wie kam es zu den Spannungen?

Spätestens seit der japanischen Invasion 1592 (Imjin Waeran) unter dem Feldherrn und Politiker Toyotomi Hideyoshi, die in Korea große Zerstörungen mit sich brachte, ist das Verhältnis beider Seiten vergiftet.

Als Japan seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen rasanten Wandel durch Öffnung und wirtschaftliche und politische Reformen erlebte, entwickelte es gleichzeitig imperialistische Ziele. Eines der ersten Ziele war Korea. Nach zwei gewonnenen Kriegen gegen China (unter dessen nomineller Oberherrschaft Korea stand) 1894-1895 und Russland 1904-1905 wurde Korea 1905 zunächst Protektorat und 1910 dann als Kolonie von Japan vereinnahmt bis 1945. Insbesondere die japanische Assimilationspolitik - Koreaner mussten Japanisch lernen und japanische Namen annehmen - haben sich im kollektiven Gedächtnis des Landes eingebrannt. Im zweiten Weltkrieg kam dazu, dass tausende Koreaner als Zwangsarbeiter in kriegswichtigen Fabriken arbeiten mussten und dass koreanische junge Frauen als Zwangsprostituierte für japanische Soldaten, die sogenannten Trostfrauen, rekrutiert wurden.

Am 15. August 1945 wurde Korea unabhängig von Japan, aber die Tragik des Landes ging weiter: Das befreite Korea wurde am 38. Breitengrad in eine amerikanische und eine sowjetische Verwaltungszone geteilt, aus der dann Süd- und Nordkorea hervorgingen. Danach folgte 1950 der nordkoreanische Überfall auf den Süden und der dreijährige Bruderkrieg, der Millionen Opfer forderte. Eine unerwartete Folge des Kriegs war die rasche Wiedereingliederung Japans in die Weltwirtschaft; als wichtigste Basis der USA in der Region und als Lieferant kriegswichtiger Güter profitierte das Land vom Krieg. Südkorea dagegen lag durch den Krieg danieder, hatte auch schwache und korrupte Regierungen, die den wirtschaftlichen Aufschwung lange Zeit verzögerten. Als Anfang der 1960er Jahre aus einem Militärputsch Park Chung-Hee als autoritärer Herrscher hervorging, der bis 1979 regieren sollte und der Südkorea zum rasanten wirtschaftlichen Aufschwung führte, war das Verhältnis zu Japan ein wichtiges Thema. 

Vertragliche Regelungen

Mit einem Vertrag von 1965 wurde die Normalisierung der politischen Beziehungen beider Länder beschlossen. Japan zahlte eine Art globaler Entschädigung von 300 Millionen USD und stellte weiter der südkoreanischen Regierung einen Kredit in Höhe von 200 Millionen USD zur Verfügung, damals für Korea viel Geld, das eine wichtige Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung wurde. Aus Sicht der Japaner waren damit alle Forderungen aus dem Krieg und der Kolonialzeit abgegolten - die in Korea bis 1945 lebenden Japaner hatten ohnehin alles, Land, Fabriken etc. verloren. Allerdings ist dies bis heute ein Streitpunkt in Korea und manche argumentieren, dass damit keinesfalls zivile Entschädigungsklagen abgegolten sind.

Die Insel (oder besser: der Felsen) Dokdo im Japanischen Meer bzw. Ostmeer, von den Japanern Takeshima genannt, auf westlichen Landkarten manchmal als Liancourt Rock bezeichnet, ist ein territorialer Streitpunkt. Die tatsächliche Hoheit über die Insel übt seit 1945 Südkorea aus.

Bernhard Seliger

Streitpunkte

Aber es gab immer wieder Rückschläge und nach Meinung der Südkoreaner fehlt die Aufarbeitung der Geschichte in Japan: Zu den Streitpunkten zählt bis heute eine winzige Felsengruppe im Japanischen Meer oder Ostmeer, Dokdo, die die Japaner Takeshima nennen, und die beide Seiten beanspruchen, obwohl es von Südkorea besetzt ist.

Die Geschichte der Zwangsarbeiter und Zwangsprostituierten wurde erst allmählich bekannt und erst nach der Demokratisierung in Südkorea seit 1987 organisierten sie sich, vor allem die früheren Zwangsprostituierten.

Immer wieder forderten die Koreaner eine Entschuldigung für Kolonialisierung und Kriegsverbrechen; im kollektiven Gedächtnis des Landes ist dies z.B. viel wichtiger als der Koreakrieg, der dennoch unbestreitbar viel mehr Leid über das Land gebracht hat. Die Japaner verweisen darauf, dass sich japanische Politiker mehr als150 Mal schon entschuldigt hätten, doch die Koreaner halten viele dieser Entschuldigungen für oberflächlich und nicht ernsthaft genug.

Gleichzeitig wird in Südkorea mit der steigenden Aggressivität Nordkoreas durchaus die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Japan gesehen. Aber gerade innenpolitisch lässt sich mit anti-japanischen Gefühlen bei den älteren Wählern punkten, was vor allem die linke Demokratische Partei nutzte. Unter Park Geun-Hye, der Tochter von Park Chung-Hee, die 2013 Präsidentin wurde und später wegen Korruptionsvorwürfen abgesetzt wurde, wurde 2015 ein Abkommen zur Schaffung eines Fonds für Zwangsprostituierte geschlossen, der durch japanische Mittel finanziert werden sollte. Die Zwangsprostituierten waren inzwischen sehr alt geworden; ohnehin hatten viele den Krieg nicht überlebt. Um sie herum war ein ganzes System von Funktionären entstanden, die das Abkommen ablehnten. Die linke Regierung von Moon Jae-In, die 2017 an die Macht kam, stoppte das Abkommen sofort. Es war sicherlich nicht die Lösung aller Probleme für die früheren Zwangsprostituierten; aber so kam es zu keiner Lösung. Ebenso gibt es noch kein Abkommen wegen der Zwangsarbeiter. Die jetzige Regierung hat einen Vorschlag gemacht, bei dem zunächst Entschädigungen durch die südkoreanische Regierung gezahlt werden, die dann später in Verhandlungen mit Japan refinanziert werden sollen. Das wollen aber auch die Vertreter der Zwangsarbeiter – ebenfalls meistens jüngere Funktionäre, die Vertreter der schon sehr alt gewordenen Erlebnisgeneration – nicht akzeptieren.

Kontakt

Repräsentant der Hanns-Seidel Stiftung in Korea: Dr. habil Bernhard Seliger
Repräsentant der Hanns-Seidel Stiftung in Korea:  Dr. habil Bernhard Seliger