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Webinar
Sanktionen, COVID-19 und Naturkatastrophen in Nordkorea

Am 15. Oktober 2020 nahm Dr. Bernhard Seliger an einem vom Korea-Zentrum der ISDP veranstalteten Webinar teil, das die aktuelle humanitäre Lage und die Auswirkungen der Sanktionen und der humanitären Hilfe in der DVRK beleuchten sollte. Die Diskussion wurde von Dr. Lars Vargö, Leiter des Japan-Zentrums der ISDP, moderiert.

Während Berichte über steigende Fälle von Corona-Viren in der ganzen Welt auftauchen, ist Nordkorea nach eigenen Angaben immer noch Corona-frei. Analysten und NGOs sind sich jedoch sicher, dass trotz dieser Informationen auch Nordkorea von der Pandemie betroffen ist.
In Verbindung mit den derzeit verhängten Sanktionen und verschiedenen Naturkatastrophen, die die bereits bestehende Ernährungsunsicherheit noch verschärfen, sieht die gegenwärtige humanitäre Situation in Nordkorea höchstwahrscheinlich fatal aus. Darüber hinaus haben die selbst verhängten Corona-Schutzmaßnahmen die Isolation des Landes weiter verschärft, so dass humanitäre Hilfe von außen nun sogar abgelehnt wird.

Als erste Rednerin des Webinars stellte Åsa Sandberg, Leiterin des Referats des Schwedischen Roten Kreuzes in der DVRK, die Arbeit ihrer Organisation in Nordkorea vor und wies darauf hin, dass rund 10 Millionen Menschen bereits vor dem Ausbruch der Pandemie Unterstützung insbesondere im Bereich der Gesundheitsversorgung benötigten. Angesichts des schwindenden Einblicks in die humanitäre Situation des Landes bezeichnete Sandberg den Erhalt der etablierten Kommunikationskanäle und Kontakte sowie der Perspektiven für zukünftige Pläne als oberste Priorität.
Anschließend ging Kee B. Park, Direktorin des Korea Health Policy Project an der Harvard Medical School, ein wenig auf Nordkoreas jüngste Investitionen und die Arbeit im Gesundheitssektor ein. Er betonte auch, dass die langfristige Gefahr der Pandemie für die DVRK eher von den selbst auferlegten Maßnahmen postuliert wird, da er voraussagt, dass sie langfristig mehr Todesfälle verursachen könnten als das Virus selbst, wenn es ins Land gelassen würde. Folglich betonte er die Bedeutung der internationalen Unterstützung im Gesundheitsbereich, um eine rasche Wiedereröffnung des Landes zu ermöglichen.

Dr. Bernhard Seliger, Repräsentant der HSS Korea, unterstrich die Bedeutung von Düngemitteln, die in der Regel von Nordkorea importiert werden und die inmitten der Pandemie nun selbst produziert werden, da der Import von Kunstdünger in diesem Jahr praktisch zum Erliegen gekommen ist.Er betonte, dass dies im folgenden Jahr zu einem großen Problem werden könnte, da die Landschaft Nordkoreas durch viel unfruchtbaren Boden gekennzeichnet ist, wie zum Beispiel der unfruchtbare Steinboden im Gangwon-do-Gebiet. 
In Bezug auf COVID-19 wies Dr. Seliger darauf hin, dass die nordkoreanische Regierung öffentlich über das Virus informiert und infolgedessen zu einem sehr frühen Zeitpunkt nach dem Ausbruch ihre Grenzen geschlossen habe.Doch während die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes derzeit aufgrund verschärfter Restriktionen sehr eingeschränkt ist, fand zum 75. Jahrestag der DVRK dennoch eine große Parade in Pjöngjang statt. 
Dr. Seliger stimmte Herrn Park zu und unterstrich auch, dass das Gesundheitssystem ein langfristiges Projekt sei, und wies darüber hinaus auf die positive Entwicklung im Krisenmanagement hin, wobei eine schnellere Reaktionsfähigkeit auf Katastrophen zu einer neu eingeführten modernen Strategie zur Reduzierung des Katastrophenrisikos hinzukomme. Als zukünftige Herausforderung nannte Seliger die wachsenden Disparitäten zwischen Stadt und Land mit der Gefahr der Entstehung einer Parallelgesellschaft. 

Als letzter Redner des Webinars sagte Sangsoo Lee, Leiter des Korea-Zentrums der ISDP, dass die Auswirkungen der Sanktionen für das nordkoreanische Regime zwar noch überschaubar seien, dass aber die selbst auferlegten Restriktionen inmitten des Kampfes gegen eine Ausbreitung des Corona-Virus einen negativeren Einfluss auf die Wirtschaft des Landes haben würden.  Er wies auch auf das Leid der Kinder hin, da Schulen und Kindertagesstätten im Land geschlossen wurden, während die technische Ausrüstung für Online-Kurse weitgehend nicht zur Verfügung steht. 
In einer Schlussdiskussion waren sich die Podiumsteilnehmer einig, wie wichtig die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen NGOs und Institutionen ist, um trotz der gegenwärtigen Isolation Nordkoreas einen erfolgreichen Ansatz zu finden, um schließlich eine schnellere Wiedereröffnung zumindest für Hilfsgüter oder dringend benötigte Güter zu erreichen. Dabei sollte ein besonderes Augenmerk auf die Aufrechterhaltung der aufgebauten Kontakte in der DVRK um jeden Preis gelegt werden.  Seliger wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die HSS glücklicherweise noch in Kontakt mit ihren Partnern steht, z.B. gerade jetzt gemeinsam an Publikationen arbeitet.

Die gesamte Aufzeichnung des Webinars können Sie sich hier ansehen.

Außerdem wurde in View of America und Radio Free Asia über die Veranstaltung berichtet (nur Koreanisch).