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Veranstaltung
Kooperatives Seminar der HSS Korea zum Thema „Aussöhnung und Konflikte in Nordostasien und Europa“

Am 7. April hat die HSS Korea ein kooperatives Seminar zum Thema „Aussöhnung und Konflikte in Nordostasien und Europa“ an der Hankuk Universität für Fremdsprachen, Graduiertenschule für Dolmetschen und Übersetzen veranstaltet. Auf der Tagesordnung der Veranstaltung hat unter anderem ein Vortrag von Dr. Bernhard Seliger, Repräsentant der HSS Korea, über die „Deutsch-französische und deutsch-polnische Aussöhnung und die Lehren von Europa“ gestanden. An dem Seminar haben sowohl Wissenschaftler, die im deutschsprachigen Raum studiert haben, als auch Studierende teilgenommen.

Am 7. April hat die HSS Korea zusammen mit der Koreanisch-Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaften (KDGS) und der Hankuk Universität für Fremdsprachen (HUFS), Graduiertenschule für Dolmetschen und Übersetzen (GSIT), Abteilung Koreanisch-Deutsch ein kooperatives Seminar zum Thema „Aussöhnung und Konflikte in Nordostasien und Europa“ veranstaltet. Repräsentant der HSS Korea, Dr. Bernhard Seliger, Projektmanager Young-Soo Kim sowie die Forschungspraktikant:innen Johannes Hollunder, Annett Fischer und Belinda Maier haben persönlich an der Veranstaltung in der Hankuk Universität für Fremdsprachen in Seoul teilgenommen. Nachdem die jeweiligen Vertretungen der drei Veranstalter eine Eröffnungsrede gehalten haben, hat der Moderator des Seminars, Prof. Dr. Myeong-Jae Cha, Ko-Vorsitzender der Association for Kyonggi Civic Education, den ersten Vortrag der Veranstaltung eingeleitet.

Der erste Vortrag wurde von Prof. Dr. Alexander Görlach von der New York Universität und Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden (CEIP) gehalten, in dem der Fragestellung, ob der Aufstieg Chinas zu einem neuen Kalten Krieg führen wird, nachgegangen wurde. Er ist zunächst auf die Tatsache eingegangen, dass sich die Staatschefs der Länder Russland und China bei einem Treffen für die Beibehaltung der internationalen Ordnung ausgesprochen haben. In westlichen Ländern wird darunter die Wahrung der Menschenrechte verstanden. Da jedoch weder Russland noch China Menschenrechte achten, haben sie demnach eine andere Auffassung davon, was unter der internationalen Ordnung zu verstehen ist. Wladimir Putin selbst vertritt die Ansicht, dass es sich bei Menschenrechten um eine westliche Erfindung handle, welche zurückgewiesen werden solle. Auch hat Görlach hervorgehoben, dass sich der so oft verwendete Begriff des „Westens“ nicht nur auf westliche Länder beziehe, sondern dass es sich dabei vielmehr um eine Ordnung von gleichgesinnten Ländern handle, die über alle Himmelsrichtungen hinweg geteilt wird. Dr. Görlach hat das „Projekt Demokratie“ als ein noch nicht abgeschlossenes, emanzipatorisches Projekt beschrieben, welches sich von den vormodernen Systemen, befreit hat, welche die Staatschefs Russlands und Chinas wieder einzuführen versuchen. Xi Jinpings Feindseligkeit gegenüber Taiwan beruhe folglich darauf, dass Taiwan als funktionierende Demokratie der chinesischen Bevölkerung ein alternatives Modell in unmittelbarer Nähe bietet und somit eine ernstzunehmende Bedrohung für das Regime darstelle. Auch für Nordkorea werden die zukünftigen Entwicklungen zwischen China und Taiwan ausschlaggebend sein, da das Land eine maßgebliche Abhängigkeit von China entwickelt habe. 

Dr. Bernhard Seliger hat den zweiten Vortrag der Veranstaltung gehalten. In seinem Vortrag wurde die „Deutsch-französische und deutsch-polnische Aussöhnung und die Lehren von Europa“ thematisiert. Er hat davon berichtet, wie Deutschland und Frankreich auch einst eine Feindschaft entwickelt hatten. Als Erfolgsfaktoren für den letztendlichen Versöhnungsprozess zwischen Deutschland und Frankreich hat Dr. Seliger sowohl die Rückgesinnung zum gemeinsamen historischen Erbe als auch das seit 1963 bestehende deutsch-französische Jugendnetzwerk genannt, welches zum Zwecke des gegenseitigen Austauschs und der Stärkung des bilateralen kulturellen Verständnisses zwischen deutschen sowie französischen Schulkindern, Studierenden und jungen Menschen in der Ausbildung eingeführt worden ist. Bezüglich der Beziehung zwischen Deutschland und Polen hat Dr. Seliger zunächst dargelegt, dass es sich dabei um einen noch nicht abgeschlossenen Aussöhnungsprozess handelt. Was jedoch die Annäherung der beiden Länder begünstigt hat, so Dr. Seliger, war wiederum ein deutsch-polnisches Jugendnetzwerk. Zudem hat Dr. Seliger hervorgehoben, dass trotz dessen, dass Deutschland in Polen die meisten Verbrechen begangen hat, auch dieser Annäherungsversuch von dem Opferstaat ausgegangen ist. Er sieht es daher auch bezüglich des Versöhnungsprozesses zwischen Südkorea und Japan als ausschlaggebend an, dass sowohl die „Opfer“ als auch die „Täter“ in dem koreanisch-japanischen Konflikt einander die Hand ausstrecken, da es nur in der Macht der Opfer liegt, zu entscheiden, wann ihrem Leid angemessen Rechnung getragen worden ist.

Im Anschluss an die beiden Vorträge haben sich drei Diskutanten zu dem Gesagten äußern können.

Ein Diskussionsteilnehmer war Dr. Young-Don Choi von der KDGS, welcher sich bei Dr. Görlach unter anderem darüber informiert hat, inwieweit der Begriff eines neuen Kalten Krieges überhaupt als angemessen zu betrachten ist. Dr. Görlach hat dem entgegnet, dass unter dem Begriff Kalter Krieg ein Krieg zwischen zwei Supermächten verstanden wird. Die aktuelle Situation zwischen den USA und China kann daher eigentlich nicht als bevorstehender neuer Kalter Krieg beschrieben werden, da es sich bei China lediglich um eine regionale Großmacht, nicht aber um eine Supermacht wie den USA handle. Hinsichtlich Dr. Seligers Vortrag ist die Frage aufgekommen, inwiefern die von ihm vorgestellten Jugendnetzwerke tatsächlich auch für Südkorea und Japan eingeführt werden könnten. Laut Dr. Seliger würde der Aufbau eines Jugendnetzwerks mehr Chancen für eine Aussöhnung der beiden Länder bieten als jede andere Politik. Dr. Seliger ist der Auffassung, dass die japanische Regierung durchaus dazu bereit wäre, in die Zukunft zu investieren, auch wenn sie nicht für die vergangenen Straftaten verantwortlich gemacht werden möchten.

Ein anderer Diskutant war Prof. Dr. Chi-Won Choi von der Korea Universität, welcher bezüglich Dr. Seligers Vortrag angemerkt hat, dass im Falle Südkorea und Japan keine symbolische Geste, wie etwa der Warschauer Kniefall zwischen Deutschland und Polen, durchgeführt worden ist, auf die sich eine Annäherung der beiden Länder aufbauen lässt. Dr. Seliger hat daraufhin deutlich gemacht, dass demnach zwischen Südkorea und Japan Möglichkeiten für symbolische Aktivitäten dringend geschaffen werden müssen. In den von ihm dargestellten europäischen Beispielen habe man sich auch zunächst mit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beschäftigt, bevor man sich schließlich mit schwierigeren Themen wie der Zwangsarbeit auseinandergesetzt hat. Gerade aufgrund dessen, dass Südkorea nicht viele Nachbarländer besitzt, sieht es Dr. Seliger als umso wichtiger an, den Aussöhnungsprozess mit Japan endlich in die Wege zu leiten.

Im Folgenden haben auch die Teilnehmenden aus dem Publikum die Möglichkeit erhalten, sich zu den Vorträgen zu äußern. In diesem Rahmen wurde zunächst darauf eingegangen, dass es in der Vergangenheit einen klaren Widerstand seitens der südkoreanischen Bevölkerung gegenüber einem Annäherungsversuch an Japan gegeben hat. Dr. Seliger entgegnet dem jedoch, dass auch die Annäherungsschritte für eine Wiedervereinigung Deutschlands damals nicht von der ganzen Bevölkerung befürwortet worden sind. Aus dem Publikum wurde auch die Frage aufgeworfen, inwieweit tatsächlich mit einem Krieg zwischen China und Taiwan zu rechnen ist. Dr. Görlach hat klargestellt, dass es zwar nicht unwahrscheinlich sei, dass es zu einem Krieg kommen wird, dass die Entwicklung zwischen den beiden Ländern momentan jedoch noch relativ offenbleibt. Als größere Macht bleibe es bei China, ein Angebot für anderweitige militärische Optionen zu machen, die einen Krieg noch umgehen könnten.